Prof. Thießen, TU Chemnitz erläuterte auf der 63. Flughafendemo heute, wie der Luftverkehr eklatant gegen die sonst so hoch geschätzten marktwirtschaftlichen Regeln verstößt:
Hier ein Auszug seiner Rede:
Externe Effekte liegen vor, wenn von einem Wirtschaftssubjekt Einflüsse auf andere Wirtschaftssubjekte ausgehen, ohne dass diese über den Preis oder eine andere Kompensationszahlung abgegolten werden.
Beispiel: Ein Reisender und eine Airline treffen sich und vereinbaren, dass die Airline den Reisenden an sein Ziel bringt. Der Reisende zahlt, die Airline erhält das Reiseentgelt. Dies ist ein typischer marktwirtschaftlicher Vertrag. Das Besondere ist nun aber, dass die Airline bei der Durchführung der Reise unbeteiligte Dritte erheblich schädigt. Die Airline wählt eine flache Steigroute, sie überfliegt dicht besiedeltes Gebiet, sie nutzt nicht die lärmgünstigsten Flughäfen, sie investiert zögerlich in leisere Maschinen, sie hält den technischen Fortschritt auf. Das alles macht sie deshalb, weil es ihre Kosten senkt. Der Reisepreis kann dadurch niedriger ausfallen. Airline und Reisender reiben sich die Hände.
Die Folgen für die Dritten, die mit der Reise gar nichts zu tun haben, sind dramatisch: sie können ihre Balkone nicht mehr benutzen, können nicht mehr lüften, wann sie wollen, sich nicht mehr unterhalten, ihre Gärten nicht mehr nutzen. Sie werden krank. Die Konzentration lässt nach. Dachgeschosswohnungen werden unbenutzbar.
Das alles sind erhebliche Schäden, welche die Airline und der Reisende verursachen, und zwar ohne die Geschädigten dafür zu entschädigen. Die beiden vertragschließenden Parteien bereichern sich auf Kosten anderer. Das Reiseentgelt bezahlt der eine, die Airline steckt es ein. Beide zusammen lassen die Geschädigten auf ihren Kosten sitzen.
Das sind die sogenannten externen Effekte: vertragschließende Parteien verursachen Schäden bei unbeteiligten Dritten.
Externe Effekte und Marktwirtschaft
Das interessante ist nun: wir leben in einer Marktwirtschaft. Alle großen Parteien bekennen sich zur Marktwirtschaft. Eine Bereicherung auf Kosten Dritter ist aber in Marktwirtschaften systemwidrig. Sie gehört nicht zur Marktwirtschaft. Marktwirtschaften leben davon, dass Anbieter und Nachfrager Verträge frei miteinander aushandeln. Das bringt die großen Vorteile mit sich.
Aber dabei dürfen keine Dritte geschädigt werden, das ist die Bedingung. Wenn man nämlich mit seinen Verträgen Dritte schädigen dürfte, ergäben sich unhaltbare Konsequenzen. Jeder würde natürlich versuchen, Verträge auf Kosten von Dritten abzuschließen und selbst das Geld einzuheimsen. Dann würde es zu der sogenannten „Fehlallokation der Ressourcen“ kommen. Ressourcen werden vergeudet und in falsche Hände geleitet. Das ist keine Marktwirtschaft mehr. Aber genau das macht die Luftfahrtindustrie. Genau das fordert die Luftfahrtindustrie von der Gesellschaft. Sie lebt auf Kosten Dritter. Sie fordert von der Politik, die Gesetze so einzustellen, dass die Luftfahrtindustrie legal und kostenlos andere schädigen darf. Das ist marktwidrig.
Was wäre marktgerecht? In einer Marktwirtschaft muss jede positive und negative Leistung zu einem marktgerechten Preis abgegolten werden. Das kann in jedem Lehrbuch zur Marktwirtschaft nachgelesen werden. In all den Fällen, in denen die Abgeltung nicht von sich aus gelingt, spricht man vom Marktversagen . Das ist bei externen Effekten der Fall. Dies müssen die politischen Parteien eigentlich wissen. Sie bekennen sich alle zur Marktwirtschaft. In jedem Lehrbuch lässt sich das Thema „Marktversagen durch externe Effekte“ nachschlagen. Warum schlagen die Parteien, die sich zur Marktwirtschaft bekennen, diese Seiten nicht auf?
Die ganze Rede ist hier nachzulesen
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