IGF auf Flughafen-Demo – Rede von Frau Prof. Susanne Opfermann

Susanne-OpfermannFür die IG-Fluglärm Hanau-Kinzigtal sprach auf der 66. Flughafen-Demo am 24. Juni Frau Prof. Susanne Opfermann aus Gelnhausen sehr engagiert zu den über 1000 Teilnehmern. Die Rede wurde oft durch  Beifall und und dem üblichen dröhenden Getöse der Demo-Teilnehmer unterbrochen, das die Empörung über die Situation unüberhörbar ausdrückte:
Guten Abend!
Ich heiße Susanne Opfermann. Ich wohne 45 km vom Frankfurter Flughafen entfernt, im schönen Gelnhausen, und was höre ich ab 4:48 Uhr am Morgen: massiven Fluglärm. Zuhause bereite ich meine Kurse vor und verfasse wissenschaftliche Arbeiten, gestört von den Maschinen, die über meiner Stadt von Süden und Norden her eindre­hen und Kurs auf Fraport nehmen, falls sie nicht schon aus Bad Orb oder dem bayerischen Spessart kommen. Ich lehre an der Frankfurter Universität, auf dem schönsten Campus Deutschlands – und was stört dort den Unterricht? Flugzeuge und Fluglärm.

Gelnhausen ist keine leise Stadt: der Zugverkehr ist laut und die Autobahn führt direkt an der Stadt vorbei. Aber wenn man bei Ostwind ein paar Schritte in den Wald geht, auf der Spessart- oder Vogelsberg-Seite, dann klingt es so: VOGELSTIMMEN (wurden eingespielt)

Bei Westwind, und das heißt an 75 % der Tage im Jahr, klingt es so: FLUG­LÄRM (war dröhnend zu hören)

Wenn wir den Ostwind genießen, weil es dann endlich mal ruhig ist bei uns, kriegen die Mainzer und Rheinhessen den ganzen Lärm – das ist auch kein Trost. Stimmt schon, bei uns ist es nicht wie in Flörsheim – Ziegel sind bei uns noch nicht von den Dächern geflogen, aber es ist laut, unerträglich laut, und zwar nicht erst seit Eröffnung der neuen Landebahn. Sonst wäre unsere Bürgerinitiative nicht schon 1991 gegründet worden. Durch die neue Bahn ist es bei uns noch lauter geworden, denn die Absenkung der Flughöhen ist nur beim Gegenanflug rückgängig gemacht worden, und der betrifft nicht Wächtersbach, Gelnhausen, Langenselbold, Rodenbach, Hanau – hunderttausend Menschen. Deshalb sind wir mit Eurer Forderung solidarisch: DIE BAHN MUSS WEG!

Aber eigentlich ist es weniger die Landebahn als der Lärm, und auch wenn sie weg wäre, wäre es vielerorts viel zu laut, und war es längst viel zu laut, das muss mal gesagt werden. Auch wir fordern daher, was die BIs in unmittelbarer Flughafennähe fordern: die Deckelung der Flugbewegungen, den Verzicht auf weiteren Ausbau, die Ausweitung des nächtlichen Flugverbots auf die Zeit von 22 bis 6 Uhr. Da sind wir mit den anderen BI‘s solidarisch.

Aber wir fordern auch – und wünschen uns dafür Solidarität der anderen BI’s – die Durchführung von Maßnahmen der Lärmreduzierung, die unsere Region (und umgekehrt die Rheinhessen) entlasten würden: das heißt die Einführung anderer Anflugverfahren, zum Beispiel CDA, das heißt Gleitsinkflug, also Verfahren, die die Lärmbelastung bis über Hanau hinaus signifikant verringern würden.

Das Forum Flughafen will zwar, dass CDA Verwendung findet, aber nur– ich zitiere – in der „verkehrsarmen Zeit zwischen 23:00 bis 5:00 Uhr“, wegen „der tagsüber nicht akzeptablen Erhöhung der Sprechfunkbelastung“ und der kapazitätsverringernden Wirkung. Moment mal: gilt nicht genau in dieser Zeit, von 23 bis 5 Uhr, das Nachtflugverbot? Sollen wir also auch noch veräppelt werden, indem nur die nächtlichen Ausnahmeflüge alternativ anfliegen dürfen?

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, es ginge auch anders: seit weit über einem Jahr liegt ein vom Main-Kinzig-Kreis bestelltes Expertengutachten vor, das belegt, dass diese anderen Anflugverfahren auch tagsüber angewandt werden können, sogar ohne Kapazitätsverlust (obwohl eine Deckelung der Flugbewegungen, in unser aller Interesse läge). Und was geschieht? Nichts.

Im Gegenteil: die Gebiete östlich von Offenbach gelten schlicht als nicht vom Fluglärm betroffen. Sie brauchen sich nur die für den Lärmaktionsplan verwendeten Landkarten anzuschauen. Dabei zeigt unsere geeichte Mess-Station in Niedermittlau Spitzenwerte von fast 85 Dezibel. Das völlig veraltete Kartenmaterial „beweist“ aber, dass wir keinen Lärm haben, weil wir nicht im Untersuchungsraum liegen, und wir liegen nicht im Untersuchungsraum, weil wir keinen Lärm haben. Ich weiß nicht, wie die Leute vom Lärmaktionsplan dies nennen würden: FLUGLÄRM (war dröhnend zu hören)

Wir von der IGF Hanau-Kinzigtal fordern die Einführung von CDA seit vielen Jahren, aber jetzt erst, nachdem der Protest hier im Flughafen gelandet ist, will die Deutsche Flugsicherung die Möglichkeit anderer Anflug-Verfahren testen, monatelang, vielleicht jahrelang. Wir werden hingehalten, zum Narren gehalten, wir alle. Ich bitte sie um Ihre Solidarität mit unserem Anliegen, wie auch wir mit Ihren Forderungen solidarisch sind.

Es ist gut, dass im zweiten Teil heute die Betroffenen vom Netzwerk Umwelt und Klima Rhein-Main zu Wort kommen. Denn wir alle, die wir hier versammelt sind, bilden eine Interessengemeinschaft der gesamten Re­gion. Wir lassen uns nicht in Flugzonen aufspalten und gegeneinander ausspielen. Wir sind alle betroffen, aber wir sind nicht alle gleich.

Vor ein paar Wochen ist bei unserer Montagsdemo eine politikwissenschaftliche Umfrage durchgeführt worden, um, ich zitiere, „Ihr Verhältnis zur Politik und zu den politischen Parteien sowie Ihre Sichtweise der Wirtschaft in der Gesellschaft“ zu ermitteln. Ich werde misstrauisch, wenn hier durchschnittliche Einstellungen von Demonstrantinnen und Demonstranten erforscht werden sollen. Der Durchschnittsdemonstrant, das ist für mich wie der durchschnittliche Fluglärmpegel. Wie unsere medizinischen Kollegen hinreichend dargestellt haben, ist es das einzelne Lärmereignis, das stört und gesundheitsschädigend ist, nicht der mittlere Dauerschall. Und so ist es jede und jeder einzelne von uns, jedes einzelne Kind, das unter dem Lärm leidet, auch wenn sich daraus eine durchschnittliche Gesundheitsbelastung ableiten lässt. Wir, die wir hier demonstrieren, tun das weil wir für Hunderttausende anderer stehen, die nicht die Zeit, die Kraft und die Zähigkeit aufbringen, um ihr Leiden hier zu artikulieren. Weil wir für Tausende stehen, die irgendwie mit Fraport beruflich verbunden sind und die es daher nicht wagen, sich zu beklagen. Weil wir für alle jene stehen, die sich einreden, sie seien nicht gestört, sie würden nicht krank.

Durchschnittliche Erhebungen bringen gar nichts. Es gibt nicht “ die Wirtschaft in der Gesellschaft“ – gerade gegen solche Pauschalisierungen wehren wir uns doch. Wir wünschen uns eine Regierung, die, wenn sie von „der Wirtschaft des Rhein-Main-Gebietes“ spricht, nicht immer nur an einen Teil davon denkt, sondern die Wirtschaftsfaktoren Gesundheit, Natur und Umwelt, Bildung und Bildungseinrichtungen, lokale Geschäftswelt und Wohnwert mit bedenkt, in einem Gebiet, das große Teile von drei Bundesländern umfasst und nicht etwa nur das Bankenviertel in Frank­furt. Wir brauchen eine neue Landesregierung, die unser aller Bedürfnis nach Ruhe, nach Unversehrtheit, nach sauberer Luft ernst nimmt. Wir brauchen einen neuen Bundestag, der ein neues Fluglärmgesetz beschließt, das uns endlich vor dem Lärmterror schützt. Und bis es soweit ist, werden wir kämpfen. Mit 66 Demos ist noch lange nicht Schluss.

Helmbrecht Breinig / Susanne Opfermann

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